Hier brandneu der erste Sneak-Preview aus dem neuen Buch "Der Krieger und die Traumwandlerin". Viel Spaß mit Anna, die nicht träumt und nie etwas vergisst und Eyvind, dem geheimnisvollen Krieger, der plötzlich in Annas Leben auftaucht und eine Reihe von Ereignissen auslöst, die nicht nur für Anna alles ändern.
Der Traum
Sie blickte über das sturmgepeitschte Meer, aus dem sich nicht weit von der Küste entfernt ein wuchtiger Fels erhob. Der Fels stand so nahe an der Küstenlinie, dass er vermutlich irgendwann einmal Teil der Klippen gewesen war, aber jetzt trotzte er den Gezeiten ganz einsam und alleine, inmitten hoher Wellen, die von weißer Gischt gekrönt waren.
Oben auf dem Felsen stand eine Burg. Eine klobige, wuchtige Festung, die im Sturm düster und dunkel aussah. Zwischen dem Festland und der Felseninsel gab es keine erkennbare Verbindung, keine Brücke, keinen Landungssteck, keine Anlegebucht, und Anna fragte sich, ob es sich um eine verlassene Burgruine handelte.
Plötzlich spürte sie einen starken Sog und ihre Traumgestalt wurde in die Burg gezogen. Sie hatte kaum Zeit, erschrocken zusammenzuzucken, da stand sie schon im Burghof, der von hohen, zinnenbewehrten Mauern umgeben war, und starrte auf das Burgtor. Das genauso wuchtig und unfreundlich aussah wie der Rest der Burg. Irgendwann auf dem Weg vom Wald zur Klippe und zur Burg hatte die Abenddämmerung eingesetzt und alles wirkte menschenleer und verlassen.
Was für ein blöder Traum, dachte Anna, doch dann wurde ihre Traumgestalt durch die Mauern in die Burg gezogen. Anna schauderte wieder. Es war ein unangenehmes Gefühl, durch Wände zu gehen.
Sie stand in einer großen Halle, halb hinter einem Mauervorsprung aus grob gehauenen Steinquadern verborgen. In der Halle herrschte unglaubliches Chaos, mit Schwertern und Äxten bewaffnete Männer schrien durcheinander, hoben wütend die Fäuste, schüttelten sie. Viele von ihnen waren blutverschmiert und trugen provisorische Verbände. Mehrere Männer waren zu Boden gesunken und rührten sich nicht mehr. Erschrocken wich Anna zurück, drückte sich an die Wand und versuchte, sich unsichtbar zu machen. Zwar konnte sie nichts hören, aber die Wut und Verzweiflung der Männer stand ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben. Auch ohne etwas zu hören war Anna klar, dass in der Halle ein ohrenbetäubender Lärm herrschen musste.
Plötzlich sprang ein Mann auf den Tisch, der an der Stirnseite der Halle stand. Er hob die Arme und sagte etwas, aber anstatt dass sich die Menge beruhigte, schien er damit den Unmut und die Wut der Männer nur noch mehr anzuheizen. Anna konnte förmlich sehen, wie die Stimmung aufwallte, wie die Gemüter überkochten.
Aber sie hatte nur Augen für ihn.
Für den Mann auf dem Tisch.
Es war der Mann aus dem Wald. Sie hätte ihn immer und überall wiedererkannt. In dem Augenblick, in dem sie ihn erkannte, hielt er plötzlich inne und sah sie an. Ihre Blicke trafen sich und für einen kurzen Moment vergaß Anna alles um sich herum und verlor sich in seinen Augen, die von einem so intensiven Blau waren, dass sie fast zu leuchten schienen.
Irgendetwas musste passiert sein, denn die Männer, die den Mann auf dem Tisch gerade eben noch wütend angebrüllt hatten, verstummten abrupt. Zuerst drehte sich einer um und blickte in ihre Richtung, dann ein zweiter, dann immer mehr. Nach einem kurzen Moment der Verwirrung hob einer der Männer, die in der Nähe vom Mauervorsprung standen, sein Schwert und stürzte sich auf Anna, gefolgt von den anderen Männern, die anscheinend völlig von Sinnen waren und wie die Berserker durch den Saal auf sie zu stürmte.
Anna blieb das Herz vor Schreck stehen und Todesangst ergriff sie. Sie begann zu schreien und schrie und schrie, bis sie von Eiseskälte überwältigt wurde, die ihr den Atem nahm.